Fassadenbegrünung – hängende Gärten inmitten der Stadt
Im Erscheinungsbild der Städte Mitteleuropas und weltweit zeichnet sich ein neuer, elitärer Trend ab – die Fassadenbegrünung. Als Vorreiter für diese Entwicklung gilt der französische Biologe Patrick Blanc. Er hat eine neue Technik für vertikale Flächenbegrünung entwickelt und ist mit seiner Kunst weltweit zu einer hochdotierten Stilikone avanciert. Die Liste seiner realisierten Werke reicht von Paris bis New York und von New Delhi bis Sao Paolo. Er hat weltweit u.a. Museen, Botschaften, Hotels, Villen, Hochhäuser, Einkaufspassagen, Tunneleinfahrten und Autobahnbrüstungen mit seinen Pflanzenmosaiken in lebendige Kunstwerke verwandelt und faszinierende Vegetationsformen in einer völlig neuen Umgebungen positioniert. Sein Gespür dafür, die lebendige Natur in die urbane Realität zurückzuholen, hat die Herzen vieler Menschen erobert und aufgeschlossene Unternehmen davon überzeugt, sich mit Blancs Fassadenarrangements ein Denkmal zu setzen.
Patrick Blanc – Der Traum vom allgegenwärtigen Garten Eden
Patrick Blancs Methode geht auf seine botanischen Expeditionen in den Urwäldern des Amazonas sowie auf unzählige Studien zum Pflanzenwachstum auf Felsen, Wasserfällen, Vulkanen oder Bäumen zurück. Er hat sein Leben dem Erforschen der Überlebensstrategien von Pflanzen unter außergewöhnlichen Wachstumsbedingungen gewidmet. Die Erkenntnisse daraus hat Blanc auf die klimatischen Voraussetzungen in unseren Breitengraden übertragen und eine neue Technik für den Bewuchs von vertikalen Flächen entwickelt. Der Fassadengarten ist noch ein sehr junges und elitäres Nischenprodukt, das jedoch weltweit sowohl in Architektur- und Kunst- wie in Wirtschaftskreisen für Aufsehen sorgt und bereits Nachahmer gefunden hat.
Konstruktionssysteme für Fassadengärten
Licht, Wasser und Nährstoffe sind die Grundvoraussetzungen für das Wachstum aller Pflanzen.
Die Konstruktion des Fassadensystems nach Blanc beruht auf einem Unterbau aus Trägerschienen, auf welchen Platten befestigt werden. Diese liegen nicht direkt auf der Fassadenfläche auf, sondern sind hinterlüftet, sodass die Pflanzen nicht an Stauwärme leiden. Auf den Platten werden mehrere Lagen von Vlies geschichtet über welche die Wasser- und Nährstoffzufuhr erfolgt. Die Pflanzen sitzen in diesem Gewebe fest und wachsen dem Licht entgegen. Tropf-Bewässerung und Düngung erfolgen automatisiert über einen Feuchtefühler. Wasser fließt vertikal von oben nach unten. Das Restwasser wird schließlich in einer Zisterne aufgefangen und fließt wieder in den Kreislauf zurück. Die nötige Technik für das Funktionieren des automatisierten Systems kann dabei unterirdisch oder in einem Kellerraum untergebracht werden und ferngesteuert überwacht werden.
Schönheit braucht Pflege
Ähnlich einem liegenden Garten, so ist auch dieses System der Begrünung kein Selbstläufer. Es kann nicht sich selbst überlassen werden, sondern braucht Pflege. Die Pflanzen müssen je nach Jahreszeit geschnitten und bei Bedarf ausgetauscht werden, soll die Grünfläche stets gepflegt aussehen.
Der vertikale Fassadengarten ist eine aufwendige Grünfläche. Daher sollten einige grundsätzliche Überlegungen nicht außer Acht gelassen werden.
- Das Vlies-System von P. Blanc ist frostempfindlich und zersetzt sich unter UV- und Feuchtigkeitseinwirkung. In kalten Klimabereichen unter -10C° sind winterharte Stauden auszuwählen; Gehölze sind in unseren Breiten nicht geeignet.
- Für die Bepflanzung eignen sich in unseren Breitengraden hauptsächlich Staudenpflanzen. Diese verlieren im Herbst meist ihr üppiges Laubkleid, sodass die Fassade während der ruhigen Vegetationszeit im Winter eine entsprechend schlichte Optik bietet.
- In Gegenden mit rauhem Winterklima haben die vertikal verankerten Pflanzen kaum Schutzraum und sind dem Erfrieren ausgesetzt. Dies zieht einen bestimmten Aufwand an jährlicher Neubepflanzung mit sich. In Klimazonen mit milden Wintermonaten hingegen findet die vertikale Fassadenbegrünung immer mehr Anklang.
- Zu Beginn der frisch angelegten Gartenfläche braucht es Geduld und Zeit, bis die kleinen Pflänzchen ihr volles Blattwerk und Volumen entfalten und das gewünschte optische Bild ergeben.
Die genannten Einschränkungen aufgrund des Klimas gelten natürlich nicht für Innenräume. Dort sind ganzjährig attraktive Pflanzenbilder realisierbar.
Weitere Systeme für Fassadenbegrünung
Parallel zu Patrick Blanc haben auch andere Anbieter neue Techniken entwickelt. Statt Flies auf die Paneele zu schichten, hat man die Oberfläche mit Moos oder Schaumglas bedeckt oder Kassetten aufgehängt, welche mit Torf gefüllt sind. Auch bei diesen Methoden muss jedoch die unterschiedliche Verhaltensweise der verwendeten Materialien berücksichtige werden. So sind Torf und Moos innerhalb kurzer Zeit dem natürlichen Zersetzungsprozess unterworfen und verlieren durch Sackungen rasch an Volumen, was ein regelmäßiges Auffüllen erforderlich macht. Aufgeschäumtes Glas hingegen ist ein äußerst leichtes Material. Es ist wetterstabil und gefrierfest, kann jedoch nur wenig Nährstoffe halten.
Das Optigrün- Korbsystem
Im deutschsprachigen Raum hat sich das Optigrün-Korbsystem als Vorreiter entwickelt. Hier werden Hängekörbe direkt mit grobkörnigem Bimsstein, Lava und Spezialsubstrat bestückt. Dieses System ist stabil, sackt aufgrund des Korbsystems und der gewählten Materialien nicht ab und kann im saugfähigen Steinmaterial sowohl Nährstoffe wie Wasser sehr gut halten. Ein spezielles Saug- und Kapilarvlies sorgt für die Wasserspeicherung. Für dieses System wurden 8-cm-dicke Paneele entwickelt, in welchen die Pflanzenwurzeln im Winter ausreichend Schutz vor dem Erfrieren finden. Der Vorteil: die Körbe können in der Gärtnerei vorkultiviert und erst dann aufgehängt werden, wenn die voll entwickelte Vegetation den gewünschten ästhetischen Effekt erreicht hat. Sowohl die Fassadenelemente, die Pflanzen als auch die Tropfbewässerung können unabhängig voneinander an der Fassade entnommen und ausgetauscht werden. Entscheidender Vorteil gegenüber dem Vlies-System ist das größere Nährstoffdepot im Substrat, sowie die gute Speicherung von Wasser v.a. im Winter. Außerdem ist das Korbsystem mit den gewählten Materialien bedeutend robuster und langlebiger als Vlies.
Bei all diesen angeführten Systemen gilt es zu bedenken, dass die Vegetation in unseren Breitengraden den Jahreszeiten folgt, sodass der Fassadengarten im Sommer ein üppiges Grünbild bietet, über die Wintermonate hingegen sein Blattwerk verliert. Aufgrund des heimischen Klimas müssen Pflanzen gewählt werden, welche im Winter in den sog. „Winterschlaf“ gehen. Dadurch bieten sie während dieser Zeit ein naturgemäß schütteres Bild.
Tipp
Innenhöfe, hohe Wände in mehrgeschossigen Gebäuden und Außenfassanden im Halbschatten eignen sich besonders gut für die vertikale Bepflanzung.Die Wahl des Standortes
Der Standort eines Fassadengartens muss mit Bedacht gewählt werden. Innenhöfe bieten einen höheren Schutz vor Temperaturschwankungen und Witterungseinflüssen, dementsprechend werden die Grünfassaden in Innenhöfen weniger strapaziert. Am wohlsten fühlen sich die Pflanzen im Halbschatten, wo sie nicht den Extremen von starker Sonneneinstrahlung im Sommer und extremer Kälte im Winter ausgesetzt sind. Für Positionen im Halbschatten bietet die Vegetation in unseren Breitengraden außerdem eine größere Auswahl an immergrünen Stauden, welche auch im Winter ihr Blattkleid behalten.
Einige Vorteile von Fassadenbegrünung
- „Lebendige Kunst“ am Bauwerk
- Wohlfühlaspekt und gesundheitliche Auswirkungen
- Schalldämmung und Minderung der Schallreflexion
- Verbesserung des Stadt- und Raumklimas
- Verminderung von Überhitzung und Smog
- Luftbefeuchtung
- Gebäudeklimatisierung: Kühleffekte im Sommer, Dämmwirkung im Winter
- Feinstaub-Bindung
- Schadstoff-Filterung
- CO -Bindung und Sauerstoffproduktion
- für Innen und Außenflächen geeignet
Bedenkt man die zahlreichen ungenutzten Flächen in Städten und an großen Infrastrukturen, so bietet die Fassadenbegrünung ein großes Potenzial für die Imagewerbung und gestalterische Aufwertung eines Ortsbildes sowie leistet einen wertvollen Beitrag zur Verbesserung des Stadt- und Raumklimas.
Diesen Artikel finden Sie auch im gedruckten Baufuchs 2013