Nachhaltigkeit und Energie beim Bauen
Wir haben gelernt den Kreislauf der Natur zu beobachten und untersuchen genau, wie Pflanzen wachsen, gedeihen, blühen und absterben. Sie verrotten und bilden den fruchtbaren Boden für neue Pflanzen, die aus dem eigenen Samen entstehen. Der Kreislauf der Natur ist unendlich, die Energie wird umgewandelt und nichts geht verloren. So macht es uns die Natur vor und wir können nach diesem Prinzip handeln, - auch bei der gebauten Umwelt.
Wir leben in einer Konsumgesellschaft und es kommt immer wieder vor, dass Gebäude bereits nach 50 Jahren wieder abgerissen werden, weil sie für eine Nutzungsänderung nicht flexibel genug sind. Wenn man dabei bedenkt, dass etwa 45% unseres gesamten Energieverbrauchs vom Bausektor verschlungen werden, ist dieses Handeln verantwortungslos. Nun drängt sich die Frage auf, ob die Zeit für ein Umdenken gekommen ist. Liegt die Lösung im „nachhaltigen Bauen“?
Der Begriff „nachhaltig“ wurde vor etwa 300 Jahren in der Forstwirtschaft eingeführt um auszudrücken, dass immer nur so viele Bäume gefällt werden dürfen, wie im selben Zeitraum nachwachsen können. Eine heute gängige Definition des Begriffs „Nachhaltigkeit“ wird erst 1989 im Brundtland-Bericht der Vereinten Nationen definiert. „Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne die Bedürfnisbefriedigung zukünftiger Generationen zu gefährden.“
Diese Bedürfnisse können ökologischer, ökonomischer und sozialer Natur sein. Nur wenn in allen Bereichen ein Mindestmaß an Zufriedenheit erreicht wird und dieses Maß auch zukünftig sichergestellt werden kann, ist eine Entwicklung oder Handlung nachhaltig.
Klimahaus Nature
Die Nachhaltigkeit im Baugewerbe ist ein ganzheitlicher Ansatz, der nicht nur die Energieeffizienz eines Gebäudes bewertet, sondern tiefer und weiter greift. Die Grundlage für das Klimahaus-Nachhaltigkeitssiegel, Klimahaus Nature bildet die bewährte Gebäudezertifizierung. Aufbauend auf diese Grundlage hat man ein Protokoll entwickelt und die Zertifizierung um Kriterien ergänzt, die maßgebend für Ressourcenschonung und Wohlbefinden sind. Neben der Nachhaltigkeit des Gebäudes fließen weitere ökologische, ökonomische und soziale Aspekte in die Zertifizierung ein. Dabei werden unter anderem anwendungsspezifische Kriterien wie das Abfallmanagement, der Einsatz effizienter Leuchtmittel und Elektrogeräte, die Verwendung lokaler Produkte, Mobilität und Logistik, Ressourcenverbrauch oder Maßnahmen zur Förderung der Lebensqualität bewertet.
Die Grundgedanken der Nachhaltigkeit und das Bewusstsein unsere Gebäude nachhaltig zu planen, zu bauen und sie dementsprechend zu betreiben sind vorhanden. Bei der Umsetzung halten sich viele noch zurück und wünschen sich mehr konkrete Informationen und Regelungen. Trotzdem wurde in den vergangenen Jahren vieles erreicht, auch wenn nachhaltiges Planen, Bauen und Betreiben von Gebäuden schon etwas mehr als „ein wenig Energieeffizienz“ oder „ein bisschen Green Building“ bedeutet.
Die nachhaltige Auswahl der Baustoffe
Beim nachhaltigen Bauen achtet man auf die Ökobilanz der einzelnen Baustoffe. Ein vergleichbarer Wert ist der Einsatz der verwendeten Energie für die Produktion, der Primärenergieinhalt (PEI) oder die sogenannte „graue Energie“. Doch auch hier gilt: nicht immer ist der Baustoff mit dem geringsten PEI am besten geeignet, ein durchdachtes Gesamtkonzept, mit der Berücksichtigung aller Faktoren ist entscheidend.
Damit man eine Aussage über die Nachhaltigkeit von Baustoffen und deren Einfluss auf die Umwelt treffen kann, sind Umweltproduktdeklarationen, sogenannte EPD (Environmental Product Declaration) entwickelt worden. Diese Erklärungen basieren auf ökobilanzbasierten Indikatoren, die aussagen, welche Auswirkungen die eingesetzten Produkte/Baustoffe auf den Treibhauseffekt haben und beschreiben den Verbrauch an grauer Energie (Primärenergiegehalt PEI). Die Ressourceneffizienz spielt in den Produktdeklarationen (nach ISO/TR 14025) ebenfalls eine große Rolle: das betrifft die Verwendung von rohstoffnahen Produktformen und von lokal vorrätigen Materialien, den daraus resultierenden kürzeren Transportwegen und somit einer geringeren Schadstoffbelastung.
Ein Baustoff oder Bauteil sollte jedoch nie einzeln, sondern immer im Kontext zum Gebäude betrachtet werden. Dies betrifft vor allem die Lebensdauer der unterschiedlichen Materialien. Ideal wäre, wenn Baustoffe mit mindestens ähnlich langen Lebenszyklen am Gebäude eingesetzt werden, denn so wird gewährleistet, dass weniger ausgetauscht werden muss und kein großer Aufwand und keine hohen Kosten durch Sanierungsmaßnahmen entstehen.
Energieeffizienz
Seit mehr als 40 Jahren haben sich sowohl das bauphysikalische Wissen der Planer als auch die Dämmmaterialien ständig weiterentwickelt. Nach der Ölkrise in den frühen 1970er Jahren und dem daraus folgenden Anstieg der Energiekosten ist in unseren Breiten die Planung von Gebäuden mit hoher Feuchte- und Wärmeschutzqualität längst zum Standard geworden. Durch die Verbesserung der Baustoffe und Isolierstoffe und die Verschärfung der gesetzlichen Anforderungen konnte die Energieeffizienz an den Gebäuden enorm gesteigert werden.
Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass mit intelligenten Konzepten Energieeinsparungen um den Faktor 10 gegenüber dem Baubestand möglich sind.
Ökobilanz
Objektbezogene Ökobilanzen im Baubereich werden auch als Lebenszyklusanalysen von Gebäuden bezeichnet (engl. auch LCA – Life Cycle Assessment). Die Ökobilanz liefert eine systematische und standardisierte Datengrundlage, um aus Deklarationen einzelner Bauprodukte die ökologische Bewertung eines Bauwerks zu erstellen. In einer Lebenszyklusanalyse wird die ganze Lebensdauer des Gebäudes, die Bauphase, die Nutzungsphase mit möglichen Umnutzungen sowie Abriss und Entsorgung berücksichtigt. Die Umweltproduktdeklarationen (EPD) einzelner Bauprodukte sind daher ein wichtiger Baustein in der Aufstellung von Ökobilanzen.
Ressourceneffizienz
Der schonende Umgang mit Ressourcen bedeutet auch, dass Recycling-Material beim Einsatz von Bauprodukten berücksichtigt werden soll. Wiederverwendbare und recyclingfähige Materialien stehen auch künftigen Generationen zur Verfügung. Zugleich unterstützen sie die Verminderung des Abfallaufkommens, wodurch man eine ineffiziente Verbrennung oder gar Deponierung von nicht verwertbaren Materialien vermeidet.
Emissionen senken
Neben dem effizienten Ressourceneinsatz hat der Ausstoß schädlicher Emissionen einen wesentlichen Einfluss auf die ökologische Qualität eines Bauwerks. Auch hier gilt es, den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks einschließlich der Herstellung und Entsorgung der verwendeten Baumaterialien zu beachten. Aktuell fokussiert sich die Politik vor allem auf die Reduzierung der klimaschädlichen Treibhausgase, von denen Kohlendioxid mit ca. 75% den größten Anteil ausmacht.
Der nachhaltige Baustoff Holz ist der absolute Spitzenreiter.
Bäume, aus denen Holz gewonnen wird, besitzen die Fähigkeit Kohlendioxyd (CO2) aus der Luft aufzunehmen und mit Hilfe des Sonnenlichts in Kohlenstoff (C) und Sauerstoff (O2) aufzuspalten. Im Gegensatz zu anderen Baustoffen trägt Holz dazu bei CO2 abzubauen.
Holz wurde bis in die 80er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts als Baumaterial kaum beachtet. Beton und Stahl spielten die tragende Rolle am Bau, neben Ziegelsteinen in allen Varianten. Für Dachstühle und Fertighäuser kam Holz zum Einsatz, ansonsten wurde es als eher minderwertiger Baustoff angesehen. Erst das wachsende Bewusstsein für ökologische Zusammenhänge rückte den Baustoff Holz wieder in den Fokus. In den vergangenen 30 Jahren hat Holz in vielerlei Arten der Verarbeitung an Bedeutung gewonnen. Immer mehr Architekten betrachten Holz mittlerweile als attraktiven Werkstoff für zeitgemäßes Bauen.
Holz aus nachhaltigem Anbau ist somit dauerhaft verfügbar. Wer sichergehen will, dass sein Holz aus einer nachhaltigen Forstwirtschaft stammt, sollte auf FSC-zertifiziertes Holz zurückgreifen. FSC ist die Abkürzung für „Forest Stewardship Council“ und bezeichnet ein internationales Zertifizierungssystem für die Waldwirtschaft.
Holz ist unsere umweltfreundlichste und eine nachwachsende Ressource.
Wenn einheimisches Holz im Bauwesen eingesetzt wird, sind zudem die Transportwege und der Energieaufwand zu seiner Bereitstellung und Aufbereitung gering. Wenn Holzprodukte am Ende ihrer Lebensdauer energetisch verwertet werden, können sie sogar mehr Energie liefern, als zur Herstellung verbraucht wurde. Dabei wird nur so viel CO2 freigesetzt, wie der Baum während seines Wachstums aufgenommen, oder besser gesagt, gebunden hat.
Ein Einfamilienhaus in massiven Holzbau beinhaltet ungefähr 100m³ Holz. Südtirol verfügt über eine Waldfläche von 336.689 Hektar und im Südtiroler Wald befinden sich über 105.188.000 Vorratsfestmeter Holz. Jährlich wachsen über 1.850.000 Vorratsfestmeter nach, aber nur rund ein Drittel davon (660.500 Vorratsfestmeter) wird entnommen. Das ist mehr als nachhaltig.
Nachhaltiges Bauen mit Holz
Holz ist ein nachwachsender Rohstoff und wird auf der ganzen Welt seit Jahrtausenden als Baustoff verwendet. Werden nachwachsende Rohstoffe nur punktuell am Gebäude eingesetzt, zum Beispiel in der Fassade, im Fußboden oder in der Dachdämmung, so zeigen sich in der Ökobilanz keine wesentlichen Unterschiede zu konventionellen Gebäuden, da die verwendeten Mengen an nachwachsenden Rohstoffen zu gering sind. Erst die Ausführung der Primärkonstruktion (der tragenden Bauteile, der Außen- und Innenwände, der Decken und des Daches) aus Holz oder Holzwerkstoffen führt zu einem sichtbar unterschiedlichen Ergebnis.
Die Graue Energie steckt überall.
Zusätzlich zum Energiebedarf für die Nutzung eines Gebäudes wird zunehmend auch die in den Baumaterialien enthaltene „graue“ Energie oder Primärenergiegehalt beachtet. Ein aus energetischer Sicht gut geplantes Gebäude zeichnet sich dadurch aus, dass es die gestellten Anforderungen an Wirtschaftlichkeit, Nutzerkomfort und -gesundheit bei möglichst geringem Gesamtenergiebedarf inklusive Herstellung, Nutzung und Entsorgung erfüllt.
Der Begriff graue Energie bezeichnet Energie, die vom Verbraucher nicht direkt eingekauft wird, die jedoch für die Herstellung von Gütern sowie für Transport, Lagerung und Entsorgung benötigt wird. Auf diese Weise entsteht häufig ein erheblicher Energieverbrauch, ohne dass dies für die Verbraucher direkt erkennbar ist. Den höchsten Energieverbrauch zur Herstellung verursachen Metalle, gefolgt von Kunststoffen, gebrannten Baustoffen (Ziegel) und ungebrannten Baustoffen. Am wenigsten Energie verbraucht der Baustoff Holz.
Erfahrungen haben gezeigt, dass Vergleiche von Pro-Kopf-Emissionen sehr fragwürdig sind, solange die graue Energie nicht berücksichtigt wird. Leider sind aber entsprechende Daten relativ schwer verfügbar.
Diesen Artikel finden Sie auch im gedruckten Baufuchs 2019
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