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Bauen in Zeiten des Klimawandels

Der Klimawandel und die Auswirkungen auf das Bauen von Morgen

Seit mehr als 150 Jahren führt man weltweit Temperaturmessungen durch und diese zeigen eindeutig, dass sich das globale Klima in dieser Zeit merklich geändert und bereits zu umfangreichen ökologischen, ökonomischen und sozialen Auswirkungen geführt hat. Die Klimadiskussion thematisiert vorwiegend vier Veränderungen: den Anstieg der Temperaturen und der Luftfeuchten, der Niederschlagsmengen und der Niederschlagsintensitäten, die sich auch in Winde und Böen ausdrücken.

Der Klimawandel stellt die Bauwirtschaft im Gebäudesektor vor besondere Herausforderungen. Der Sektor ist einerseits als Mitverursacher und andererseits als Leidtragender gleich in mehreren Bereichen mit dem Thema konfrontiert. Heute müssen Gebäude so geplant und gebaut werden, dass sie die Folgen des Klimawandels bewältigen können und gleichzeitig die eigenen CO2-Emissionen auf ein Minimum verringern.

Ursachen des Klimawandels

Im Alpenraum hat die mittlere Jahrestemperatur in den letzten 120 Jahren um rund 2 Grad Celsius zugenommen. Der Klimawandel ist damit in dieser Region doppelt so schnell erfolgt als im globalen Mittel. Im Gegensatz zur Temperatur haben sich die über das Jahr gemittelten Niederschlagsmengen im gleichen Zeitraum nicht wesentlich verändert. Allerdings wird in den letzten 40 Jahren eine saisonale Umverteilung der Niederschlagsmengen beobachtet. Während die Niederschlagsmengen im Winter/Frühling um etwa 20 bis 30% angestiegen sind, haben sie im Sommer um ca. 20% abgenommen. Zugenommen haben auch die Anzahl und Intensität von meteorologischen Extremereignissen, die mit erheblichen Folgen wie Überschwemmungen, Muren und zunehmende Dürre- und Hitzeperioden verbunden sind. Schlagzeilen über Gewitter mit Niederschlagsmengen von 70 l/m² in zwei Stunden, die einem ganzen Monatsniederschlag entsprechen, werden keine Seltenheit mehr sein (Quelle: Presseagentur des Landes Südtirol vom 18. Juni 2021).
Es gilt inzwischen als gesichert, dass der Klimawandel im Wesentlichen auf den Menschen und seine vermehrte Produktion von Treibhausgasen zurückgeht.

Es gilt inzwischen als gesichert, dass der Klimawandel im Wesentlichen auf den Menschen und seine vermehrte Produktion von Treibhausgasen zurückgeht.

Die Folgen des Klimawandels

Eine im Jahr 2019 erfolgte Expertenbefragung („Zukunft Bauen“, S. Wirth) kommt zum Ergebnis, dass die Baubranche in den Auswirkungen der Klimaveränderungen die größte Herausforderung für die Zukunft sieht. Laut der Studie ist die „Vermeidung sommerlicher Überhitzung“ das wichtigste Thema für die Befragten und deren Unternehmen. Gleicht darauf folgt die „Nutzung erneuerbarer Energie“ und auch der „CO2-Ausstoß“ steigt in der Prioritätenliste ins Spitzenfeld, das Trendthema „Digitalisierung und Automatisierung“ ist hingegen auf die hinteren Ränge abgerutscht.

Klimagerechtes Bauen umfasst zwei Bereiche, den Klimaschutz und die Klimaanpassung

Der Klimaschutz erfolgt durch die Verringerung der direkten und indirekten Emissionen von Treibhausgasen, zum Beispiel durch das Einsparen von Strom, den möglichst geringen Verbrauch von Energie für Heizung, Kühlung und Warmwasseraufbereitung oder die Nutzung von Erneuerbaren Energien.

Die Klimaanpassung erfolgt durch Maßnahmen, um mit den bereits eingetretenen oder nicht mehr abwendbaren Folgen des Klimawandels umzugehen, zum Beispiel Hitze- und Überflutungsschutz am Haus.

Die Bauwirtschaft muss sich deshalb nicht nur den Folgen des Klimawandels stellen, auch bei der Ursachenforschung kann sie sich nicht aus der Verantwortung stehlen. Die Anpassung von Gebäuden an den Klimawandel und Klimaschutz müssen gemeinsam und angesichts der Gebäudelebensdauer auf lange Sicht gedacht werden.

Fokus Lebenszyklus

Bei der Errichtung neuer Gebäude sind die höchsten Standards bei der Energieeffizienz der Gebäudehülle, Haustechnik und des Heizsystems heranzuziehen. Dabei sollten verstärkt innovative architektonische Konzepte, Bauweisen und Technologien, die etwa die Speicherung von Wärme und Kälte ermöglichen, eingesetzt werden, heißt es in Fachkreisen. Bei der Wahl des verwendeten Baustoffes muss im Lebenszyklus und räumlichen Kontext gedacht werden. Kurze Transportwege und langlebige Baustoffe, die ohne Emissionen vollständig recyclingfähig sind, leisten einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz.

Die Bauwirtschaft ist für 30% des Treibhauseffektes verantwortlich und benötigt 40% der Energie und 50% des Abfallaufkommens. (Quelle: Deutsches Umweltbundesamt, 2020)

Grundstückswahl

Beim Kauf eines Grundstücks oder eines Gebäudes sollten Sie schon heute die Folgerisiken der klimatischen Veränderungen mit in Ihre Überlegungen einbeziehen. Für viele ist ein Haus mit Blick aufs Wasser ein Traum. Doch kann ein Grundstück in direkter Nähe zu einem Gewässer schnell zu einem hochwassergefährdeten Bereich werden. Daher sind Neubauvorhaben in Risikogebieten an strenge Vorgaben und Auflagen zum Schutz vor Hochwasser gebunden, häufig werden von den zuständigen Stellen gar keine Baugenehmigungen in Hochwassergebieten erteilt. Es sind jedoch keineswegs nur die großen Flüsse, von denen ein Risiko ausgeht – auch Bäche oder Rinnsale können nach starken Regenfällen zu gefährlichen Strömen anwachsen.

Freiliegende und erhöhte Grundstücke bergen ein größeres Risikopotenzial bei Sturmereignissen. Insbesondere Böen – die oft mit Stürmen einhergehen – können dabei vier Mal so starke Windkräfte auf ein Gebäude erzeugen wie der eigentliche Sturm. Daher sollten Sie bei einem exponierten Grundstück die windsensiblen Bereiche Ihres Gebäudes – wie Fassade, Dach oder Vorbauten – sturmsicher planen. Prüfen Sie auf einem windanfälligen Grundstück vor Beginn der Bauarbeiten auch den Baumbestand. Außerdem sollten Sie die Lage der Bäume sowie die Windrichtungen mit in Ihren Bauplan einbeziehen.

Gefahrenzonenpläne

In einem gebirgigen Land wie Südtirol sind Massenbewegungen, Lawinen, Murenabgänge und Überschwemmungen hydrogeologische Gefahren, die häufig auftreten. Für die einzelnen Ereignisse gibt es genügend Beispiele, die uns zeigen, dass wir mit ihnen, neben ihnen bzw. auf ihnen leben können bzw. müssen. Eine genaue Kenntnis der Gefahren und der Areale in denen sie auftreten, ist daher für einen funktionierenden Zivilschutz und eine zukunftsorientierte Raumplanung unumgänglich. Die Gefahrenzonenplanung und Bestimmung der Risikozonen ist daher durch eine Reihe von Staats- und Landesgesetzen geregelt.

Chancen und Herausforderungen für die Bauwirtschaft

Steigerungen der Energieeffizienz nehmen im Klimaschutz eine zentrale Rolle ein, weil in diesem Sektor die CO2-Emissionen sehr schnell und mit vergleichsweise niedrigen Kosten gesenkt werden können. Bei weiter steigenden Energiepreisen zahlt sich der Klimaschutz innerhalb weniger Jahre aus. Besonders hohe Energiesparpotentiale bietet der Gebäudebestand, der zu etwa 70% vor dem Jahr 1978 errichtet wurde und einen sehr hohen Jahresverbrauch aufweist. Die Bauwirtschaft in Mitteleuropa verantwortlich mit rund 30% der Treibhausgase, 40% des Bedarfs an Primärressourcen und Energie, sowie 50% des Abfallaufkommens.

Etwa 80% des Energieaufwandes in Gebäuden entfallen auf den Wärmebereich, 10% auf die Bereitstellung von Warmwasser und 10% auf den Stromverbrauch. Der Heizwärmebedarf für Gebäude aus den 60er, 70er und 80er-Jahren übersteigt den heute gültigen Neubau-Standard nach „Klimahaus A“ um ein Vielfaches. Die energetische Sanierung des Gebäudestandards ist damit die kosteneffizienteste Maßnahme im Bereich des Klimaschutzes und muss unbedingt mehr genutzt werden.

Sommerlicher Wärmeschutz

Wir müssen in Zukunft mit deutlich mehr Hitzestunden rechnen und in der Folge mit überhitzten Gebäuden. Der große Knackpunkt für die Planung behaglicher Wohnhäuser wird deshalb in Zukunft die Kühlung sein. Die Schmerzgrenze liegt bei etwa 26 Grad Celsius. Laut einer Schweizer Studie wurde in einem durchschnittlichen Jahr (2004) der Wert beim Referenzgebäude in Basel an 27 Stunden überschritten. Im Jahr 2069 wird die Grenze während 900 Stunden überschritten, so die Prognose. An der Südseite der Alpen können es sogar 1400 Stunden sein.

Unsere Architektur und Bauweise steht vor einem Paradigmenwechsel: Der Schutz gegen Kälte ist nach wie vor wichtig. Daten zeigen, dass sich der Bedarf an Heizwärme in Zukunft um 20 bis 30 Prozent reduzieren wird, während der Kühlbedarf rasant zunehmen wird.
Gebäude mit hohem Glasanteil heizen sich bei Sonneneinstrahlung besonders stark auf, und bei der Leichtbauweise fehlen massive Wände und Decken und somit deren Wärmespeicherfähigkeit.

Von 2015 bis 2016 hat der Einbau der Klimaanlagen in Italien um 38,5 Prozent zugenommen. Bis 2014 waren etwa 30 Prozent der Gebäude bereits mit Klimaanlagen ausgestattet.

Südtirol bleibt vom Klimawandel nicht verschont

Auch wenn uns der Klimawandel häufig erst durch sintflutartige Regenfälle oder heftige Stürme ins Bewusstsein rückt: Es sind vor allem schleichende Veränderungen, die auf lange Sicht das Leben in unserem Land nachhaltig verändern werden. Die Treibhausgase, die sich bereits in unserer Atmosphäre befinden, bauen sich sehr langsam ab und wirken daher noch mehrere Jahrzehnte weiter. Selbst wenn wir erfolgreich Klimaschutz betreiben, schreitet der Klimawandel voran. Seine Folgen sind vielfältig und haben Einfluss auf unser Wohnen, Arbeiten und unsere Gesundheit. Um sich erfolgreich an den Klimawandel und seine Folgen anzupassen, sind alle gesellschaftlichen Akteure gefragt: ob Politik, Gemeindeverwaltungen, Unternehmen oder Privatpersonen.

Nachhaltig und mit Blick auf die Zukunft bauen

Nachhaltiges Handeln bedeutet, ökologische, ökonomische und soziokulturelle Gesichtspunkte gleichberechtigt zu berücksichtigen, um nachfolgenden Generationen eine intakte Umwelt und gleiche Lebenschancen hinterlassen zu können.

Bauwerke sind dabei wegen ihrer langen Nutzungsdauer (von 50 bis 100 Jahren) und des hohen Energie- und Ressourcenverbrauchs ein besonders wichtiger Bereich. Im Mittelpunkt nachhaltigen Bauens stehen der gesamte Lebenszyklus eines Gebäudes und die ganzheitliche Qualitätsverbesserung des Bauens. Nachhaltiges Bauen strebt für alle Phasen des Lebenszyklus von Gebäuden – von der Planung, der Erstellung über die Nutzung und Erneuerung bis zum Rückbau – Einsparungen von Energie und Ressourcen und eine geringe Belastung des Naturhaushalts an.

Dies kann vornehmlich erreicht werden durch:
  • Senkung des Energiebedarfs und des Verbrauchs an Betriebsmitteln
  • Vermeidung langer Transportwege von Baustoffen und Bauteilen
  • Einsatz wieder verwendbarer oder verwertbarer Bauprodukte und Baustoffe
  • Verlängerung der Lebensdauer von Produkten und Baukonstruktionen
  • gefahrlose Rückführung der Stoffe in den natürlichen Stoffkreislauf
  • weitgehende Schonung von Naturräumen und Nutzung von Möglichkeiten zu Flächen sparendem Bauen.

Bauen mit Holz

Das Bauen mit Holz ist nicht nur eine der wirtschaftlichsten und effektivsten Maßnahmen zur Reduzierung unserer CO2-Emissionen. Im erneuerbaren und lokal verfügbaren Werk- und Baustoff Holz steckt im Unterschied zu vielen anderen Materialien wie Stahl oder Beton nicht nur sehr wenig „graue Energie“ (notwendige Primärenergie für den Herstellungs- und Bearbeitungsprozess). Durch die Photosynthese nimmt jeder Baum zudem Kohlendioxid auf und verwandelt ihn in Holz. Aus einer Tonne CO2 wird mehr als ein Kubikmeter Holz produziert, wodurch Holz während der stofflichen Nutzung als Baustoff sogar zur CO2-Senke wird. Bauen mit Holz und dessen Verwendung für Innenausbau, Türen, Fensterrahmen, Möbel und Bodenbeläge bildet deshalb einen effizienten Beitrag zum Klimaschutz.
Der Holzbau stärkt aber auch regionale Wirtschaftskreisläufe und die nachhaltige Entwicklung vor Ort. Die Nutzung der natürlichen Ressource Holz schafft im Alpenraum Hunderttausende von Arbeits- und Ausbildungsplätzen und bietet auch dort Beschäftigung, wo der Industrie- und Dienstleistungssektor oft weniger stark ausgeprägt sind. Leider wird in Südtirol nur rund die Hälfte des jährlichen Holzzuwachses genutzt.

Vor diesem Hintergrund will zukünftig auch das Land Südtirol bei öffentlichen Bauvorhaben den Anteil von Holzbauten signifikant erhöhen. Es wird zurzeit auch angedacht, für private Bauherren Anreize zu schaffen, damit verstärkt auf den Baustoff Holz zurückgegriffen wird.

Ohne viel Technik

Wir werden in Zukunft im Sommer in dicht bebauten Metropolen wohl im Schnitt mit fünf bis zehn Grad höheren Temperaturen leben müssen. Es könnte also einiges über 40 Grad Celsius hinausgehen. Auch die Zahl der so genannten tropischen Nächte mit über 20 Grad Celsius wird deutlich zunehmen. Darunter leiden dann besonders betagte und geschwächte Menschen. Im Winter wird es hingegen Entlastungen geben, weil wir weniger heizen müssen. Der vermehrte Kühlbedarf hingegen sollte durch verstärkte Vorgaben bei der Klimahaus-Regelung berücksichtigt werden.

„Baue was du brauchst. Baue ohne viel Technik. Löse das Problem architektonisch.“

Yvonne Züger, Leiterin Fachstelle „Nachhaltiges Bauen”, Hochbauamt Stadt Zürich

Die Sanierung von Altbauten – ein noch brachliegendes Potenzial

Das weitaus größte Potenzial bei der Energieeinsparung liegt in der Sanierung des Gebäudebestandes. In Südtirol wurde in den vergangenen 20 Jahren sehr viel Wert auf Energieeinsparung beim Neubau gelegt, während ¾ des Baubestandes heute immer noch sogenannte „20-Liter-Häuser“ sind, also rund sieben Mal mehr Energie verbrauchen, als ein Neubau in Klimahaus-A-Standard.
Der Energiebedarf eines sanierten Altbaus kann durch bauliche Veränderungen und eine Umstellung auf erneuerbare Energieträger zur Erzeugung der Restwärme bis zu 90 Prozent gesenkt werden. Eine immense Zahl an Gebäuden mit schlechter Bausubstanz und hohem Energiebedarf stellt für die nächsten Jahre ein riesiges Tätigkeitsfeld dar. Fördermaßnahmen in Form finanzieller Anreize bei Sanierungen tragen dazu bei, dass bauliche Maßnahmen effizient und flächendeckend umgesetzt werden. Jede erfolgreich umgesetzte Sanierungsmaßnahme ist eine Investition in die Zukunft.


Diesen Artikel finden Sie auch im gedruckten Baufuchs 2023


Fachautor

Fach Ing. Peter Erlacher
Bauphysik & Holzbau, Naturns

www.erlacher-peter.it

Peter Erlacher

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