Die Bewertung von Altbauten
Vorerst ist zu untersuchen, ob es sich um einen Neu- oder Altbau handelt. Als Neubau gilt im Sinne des staatlichen Mietengesetzes Nr. 392 ein Gebäude bis zu 5 Jahren. Etwas genauer ist die Definition, dass ein Neubau als solcher zu betrachten ist, solange er keine Abnutzungsspuren aufweist. Der Begriff steht im Gegensatz zur Definition des Altbaus, weil dessen Dauer auch Jahrhunderte erreichen kann. Im Zeitraum des Neubaus sind die Herstellungskosten einzusetzen. Weitere Begriffe sollen, wie folgt, erklärt werden.
Das Alter ergibt sich aus der Differenz zwischen Baujahr und Wertermittlungsstichtag.
Die technische Nutzdauer ist von der Obergrenze der Gesamtnutzdauer (Kürzel: GND), d.h. von der Haltbarkeitsgrenze der tragenden Bauteile (Außenwände, Decken, Dachstuhl) abhängig. Im Normalfall fällt sie mit dem Eintreten der technischen Abbruchreife zusammen. Wird die Instandhaltung vernachlässigt, so altern auch die tragenden Bauteile wesentlich schneller.
Die wirtschaftliche Nutzdauer ist jener Zeitraum, in dem ein Gebäude entsprechend seiner Zweckbestimmung allgemein wirtschaftlich nutzbar ist. Dieser Zeitraum ist schwer festzulegen, da auch zukünftige wirtschaftliche Entwicklungen, beispielsweise durch Veränderung des Verwendungszweckes, berücksichtigt werden sollten. Gebäude in Leichtbauweise haben eine kürzere Lebensdauer, so dass die technische Nutzdauer mit dem Ende der wirtschaftlichen Lebensdauer zusammenfallen kann. Die wirtschaftliche Nutzdauer wird effektiv durch die in der Zwischenzeit zunehmenden Mängel, wie Dämmungen, Setzungen, Isolierungen, Feuchtigkeit, nach oben abgegrenzt, aber auch durch den heute zunehmenden Anspruch nach mehr Behaglichkeit oder Wohlfühlen der Bewohner. In der Tat können solche Wohnungen, auch aus sanitär-hygienischen Gründen, meistens nicht mehr vermietet werden.
Der Tipp!
Das fiktive Alter eines Gebäudes ergibt sich aus dem tatsächlichen Alter abzüglich der Anzahl von Jahren, um die sich die Gesamtnutzungsdauer durch Modernisierung verlängert hat. Bei Wohngebäuden von etwa über 150 Jahren muss deshalb weniger die Vergangenheit, also das Alter oder das Baujahr, sondern mehr die heute noch verbleibende wirtschaftliche Restnutzungsdauer gesehen werden.Die Gesamtnutzungsdauer (Kürzel: GND). Sie ist von der Bauart, der Bauweise und Nutzung abhängig und berücksichtigt sowohl die technische als auch die wirtschaftliche Nutzdauer.
Die Restnutzungsdauer (Kürzel: RND) umfasst jene Anzahl von Jahren, die ein Gebäude ab dem Bewertungsstichtag bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung voraussichtlich noch wirtschaftlich genutzt werden kann. Diese kann auch durch Erneuerung von Bauteilen (Mauern, Decken, Treppen, Dach) verlängert werden. Unter ordnungsgemäßer Bewirtschaftung versteht man die jeweils fällige Durchführung von Instandhaltungen, Instandsetzungen und Erhaltunsgmaßnahmen. Die Energieeffizienz ist ebenso Teil der Gebäudequalität.
Für die Ermittlung des heute gültigen Marktwertes eines Gebäudes ist neben dem Alter auch sein baulicher Zustand von großer Bedeutung. Neben dem normalen Verschleiß, der in der altersbedingten Abwertung mittels Tabellen berücksichtigt wird, können Gebäude duch bauliche Mängel oder Schäden zusätzlich abgewertet werden. Als Baumangel bezeichnet man einen Fehler, der auf seine mangelhafte Planung oder Bauausführung zurückzuführen ist. Ein Bauschaden kann entweder infolge eines Baumangels auftreten (Risse bei schlechter Fundierung, Schimmelbildung bei schlechter Wärmedämmung, bröckelnder Verputz bei fehlender Feuchtigkeitsabdichtung) oder er tritt durch äußere Einwirkungen ein (Risse durch Erdbeben).
Ein rückgestauter Reparaturbedarf ergibt sich, wenn die notwendigen Instandhaltungsmaßnahmen nicht in ausreichendem Maße durchgeführt wurden. Wenn Baumängel oder Bauschäden vorliegen, die die gewöhnliche Lebensdauer des Gebäudes beeinflussen, das heisst herabsetzen, so sind sie bei der Alterswertminderung zu berücksichtigen, indem die Restnutzungsdauer des Gebäudes entsprechend vermindert wird.
Die durch Abnutzung vorzusehenden Abschreibungen (Kürzel: AFA) sind, wenn sie nicht schon abgeschrieben sind, wesentlich geringer als die für die Substanzerhaltung erforderlichen. Zu den theoretisch mathematischen Abschreibungsverfahren gehören die lineare, die progressive und die parabolische Abschreibung. Der Verlauf der Abschreibung lässt sich in Kurven darstellen und die meisten Abschreibungstabellen sind nach diesen Kurven berechnet. Die lineare Abschreibung kommt bei Gebäuden in Betracht, die aufgrund ihrer Nutzung verstärktem Verschleiß unterliegen (Werkstätten) und bei Gebäuden, die baulich fast nicht unterhalten werden. Die Absetzungsbeträge sind bei Beginn der Nutzungsdauer des Gebäudes gering. Die progressive Abschreibung nach „Ross“ wird bei Wohn- und Bürohäusern mit einfacher Ausstattung und guter baulicher Unterhaltung angewendet. Die parabolische Abschreibung ähnelt der Ross`schen Kurve, weist aber eine viel stärkere Progression auf und wird bei Gebäuden mit geringer Beanspruchung (Futterhäuser, Lagergebäude) und in einem guten baulichen Zustand verwendet.
Bei einer langen Restnutzungsdauer, etwa über 70 Jahre und darüber, unterbleibt meist die Aufgliederung in Bodenwertanteil und Gebäudewertanteil, da sich die Vervielfältiger bei einer Dauer von über 70 Jahren dem Vorwert einer ewigen Rente annähern. Beispiel: Vervielfältiger 19,51 bei r= 5,0 % für 76 Jahre, v= 20,00 für unbeschränkte Dauer. Unter Vervielfältiger (v) versteht man den Multiplikator, der den Wert oder die Rendite (r) einer Immobilie angibt, also v * r= 1. Je größer also „v“, desto kleiner die Rendite „r“ und umgekehrt. Es ist zu beachten, dass nur die RND und nicht die GND den Vervielfältiger beeinflusst.
Bewertungen
Die Berechnung des Gebäudewertes erfolgt am einfachsten mit einem Durchschnittspreis je Kubikmeter umbauten Raumes.
Die Anwendung der Formel RND= GND – Alter setzt die sichere Kenntnis von GND voraus. Wenn nicht, gibt es bei der Bewertung von älteren Gebäuden in der Bestimmung von RND Probleme. Beispiel: Wohnhaus mit GND 120 Jahre, Baujahr 1975, Alter (2019 – 1975)= 44 Jahre; RND= 120 Jahre - 44 Jahre= 76 Jahre.
Diese Beziehung gilt nur für jene Fälle, in denen die GND nicht infolge mangelhafter Instandhaltung verkürzt oder durch Modernisierungen verlängert worden ist. In allen anderen Fällen ist von einem fiktiven Alter auszugehen.
Das fiktive Alter eines Gebäudes ergibt sich aus dem tatsächlichen Alter abzüglich der Anzahl von Jahren, um die sich die GND durch Modernisierung verlängert hat. Es gilt: Fiktives Alter= GND – verlängerte RND. Bei Wohngebäuden von etwa über 150 Jahren muß deshalb weniger die Vergangenheit, also das Alter oder das Baujahr, sondern mehr die heute noch verbleibende wirtschaftliche RND gesehen werden. Banken und Sparkassen haben schon lange die wirtschaftliche Nutzungsdauer nach unten gesetzt, obwohl die technische Lebensdauer durch die moderne Stahlbetonbauweise gestiegen ist. Objekte, die unter Denkmalschutz stehen, weisen im Normalfall einen niedrigeren Marktwert auf, da der Eigentümer neben dem höheren Instandhaltungsbedarf auch in seiner Entscheidungsfreiheit eingeengt ist.
Lage, Lage und nochmals Lage sind aber, auch bei Altbauten, die größten wertbeeinflußenden Kriterien.
Wir sehen also, daß die Bewertung von Altbauten im Vergleich zu Neubauten ein schwierigeres Unterfangen ist.
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Fachautor
Dr. Franz Schrentewein
Freiberuflicher Schätzgutachter
Eppan
Tel. 338 4897 303
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Abbruch
Um ein Altgebäude auf einen besseren Wohnstandard zu bringen, ist es trotz technischer Mängel allgemein kein großes Problem, wohl aber eine Frage des Geldes. Es hat häufig den Anschein, dass Altgebäude billig zu haben sind. Dabei sollte der potentielle Käufer genauestens prüfen, ob nicht ein guter Teil des Kaufpreises noch in das angebotene Gebäude investiert werden muss.
Bewertung Altbauten
Das fiktive Alter eines Gebäudes ergibt sich aus dem tatsächlichen Alter abzüglich der Anzahl von Jahren, um die sich die Gesamtnutzungsdauer durch Modernisierung verlängert hat. Bei Wohngebäuden von etwa über 150 Jahren muss deshalb weniger die Vergangenheit, also das Alter oder das Baujahr, sondern mehr die heute noch verbleibende wirtschaftliche Restnutzungsdauer gesehen werden.